Der Gott des Gemetzels – von Yasmina Reza
Für die Silvestervorstellung mit optionalem Büffet und Party folgen Sie bitte diesem Link:
https://www.waggonhalle.de/event/der-gott-des-gemetzels-von-yasmina-reza-silvester-special/
„Es ist großes Kino – und ja, man sollte es gesehen haben.“ (Oberhessische Presse, 20.05.23)
Zwei Kinder prügeln sich auf dem Schulhof, Stock gegen Schneidezahn. Wie gut, dass die Eltern sich treffen, um die Angelegenheit zivilisiert in einer Atmosphäre von Toleranz und gegenseitigem Verständnis zu besprechen.
So beginnt die schwarze und bitterböse Komödie von Yasmina Reza, bevor dann alle Dämme brechen und sich tiefste Abgründe der menschlichen Seele auftun. Spitz formulierte Wortgefechte münden in Handgreiflichkeiten, Kunstbände werden vollgekotzt und lärmende Hamster entsorgt.
Das Stück zerlegt genüsslich die kultivierte Fassade der westlichen Wertegesellschaft, demaskiert die pseudo-harmonische Scheinwelt zweier kaputter Ehen, und am Ende thront über allem „Der Gott des Gemetzels“.
Yasmina Rezas „Mutter aller Wohnzimmerschlachten“ gehört zu den meistgespielten Theaterstücken der letzten Jahrzehnte.
2011 verfilmt von Roman Polanski mit Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz und John C. Reilly. Aber nur weil Matze Schmidt, Ellen Stork, Magdalena Kaim, Dietrich Faber und Nisse Kreysing damals nicht verfügbar waren.
Fotos: Hasret Sahin
Silvesterparty am 31.12.:
mit DJaySanne – 80er, 90er, Dance- & Rock-Classics, Aktuelles und Alles was sonst noch gefällt
Alain Reille | Dietrich Faber |
Annette Reille | Magdalena Kaim |
Michel Houillé | Nisse Kreysing |
Véronique Houillé | Ellen Stork |
Regie | Matze Schmidt |
Regie-Assistenz | Helga Niehaus |
Ausstattung und Bühnenbild | Daniela Vogt |
Produktionsassistenz | Celina Dissler |
Göttliches Seelenmassaker
Großes Kino: „Der Gott des Gemetzels“ feierte Premiere in der ausverkauften Waggonhalle
Von Sabine Jackl
Marburg. „Muss man gesehen haben“, strahlt eine Besucherin, das Gesicht erhitzt vom gemeinsam mit 150 Premierengästen gespendeten Applaus, einer Belohnungsexplosion aus Klatschen, Trampeln, Pfeifen. Noch nicht ganz befreit von der intensiven Verkörperung ihrer Figuren, halten sie sich dankbar an den Händen: Dietrich Faber, Magdalena Kaim, Nisse Kreysing und Ellen Stork haben die Waggonhalle am Donnerstagabend für 90 mitreißende Minuten in einen Höllenschlund ehelichen Gegeneinanders verwandelt. Mit souveränem Händchen für Schwarzhumoriges mit bittersü.er Note inszeniert Matze Schmidt das preisgekrönte Kammerspiel „Der Gott des Gemetzels“.
Es ist die 40. Eigenproduktion des Marburger Kulturzentrums. Seit 2006 ist die Gesellschaftssatire der französischen Dramatikerin Yasmina Reza eines der meistgespielten Stücke, verfilmt 2011 mit Christoph Waltz und Jodie Foster. Doch die berühmten Stars werfen keinen Schatten auf Schmidts fulminante Umsetzung. Ausgefeilte Mimik und Gestik der Protagonisten bereiten auf hemmungslose Auseinandersetzungen hinter Höflichkeitsfloskeln vor.
Hauen und Stechen beim Bildungsbürgertum
Véronique und Michel Houillé empfangen Annette und Alain Reille zwischen Kunstbüchern und Tulpensträußen in ihrem Pariser Upper-Class-Apartment. Das von Daniela Vogt stark reduzierte Bühnenbild lässt dem Quartett viel Freiraum, um von der gesitteten Aussprache über die Schulhofprügelei der elfjährigen Söhne in ein handgreifliches Seelenmassaker zu driften. Der Reille-Racker hat dem Hoillé-Sprössling mit einem Stock zwei Schneidezähne ausgeschlagen, nun sollen die juristisch korrekten und pädagogisch angemessenen Konsequenzen erörtert werden.
Noch schaut Magdalena Kaims graziöse Annette rehäugig zu ihrem Alain auf und füllt Dietrich Fabers Alain seinen eleganten Anwaltsanzug mit entsprechender Geistesglätte. Noch lacht Michel nur ein bisschen zu viel und lockt das mitlachende Publikum in seine teddybärige Unbedarftheit. Wie Nisse Kreysing jedoch dabei mit den Augenbrauen zuckt, verheißt nichts Gutes. Ellen Stork geht vordergründig ganz als politisch korrekte Helikoptermutter Véronique auf, bei ihr schwelt das Unheil in giftsprühenden Blicken.
Gnadenlose Wortgefechte in wechselnden Allianzen
In immer gnadenloseren Wortgefechten fällt die bildungsbürgerliche Fassade. Bunt wechselnde Allianzen erfahren dank fingertief eingeschenkten Rums eine beschleunigte Verstärkung. Spätestens, als die Männer ihre gemeinsame Verehrung wahrer Helden wie John Wayne aufdecken und sich die Ehefrauen in hysterischer Verschwisterung wiederfinden, sind den Entlarvungen keine Grenzen mehr gesetzt. Da kann einer ja nur übel werden – Annette bekotzt den kostbaren Kokoschkaband. Michel erweist sich als kompetenter Trockenföhner und Alain hört auch jetzt nicht auf zu telefonieren. Er muss eine millionenschwere Pharmafirma vor Schaden bewahren, den ein Medikament anrichtet, das ausgerechnet auch Michels Mutter einnimmt.
Es ist großes Kino – und ja, man sollte es gesehen haben. Wenn sich alle Vier auf eins hätten einigen können, dann darauf, dass dies als „unglücklichster Tag meines Lebens“ in die vom „Gott des Gemetzels“ geführten Ehe-Annalen einginge.
(Oberhessische Presse, 20.05.23)