WOLFSJAHRE – Wie ein Nazi-Jurist in der jungen Bundesrepublik Karriere machte
Beginn der Projektreihe DEMOKRATIE LESEN des Netzwerks FEINDSENDER 2.0 zum 80. Jahrestag des Kriegsendes
Heinrich Anton „Heinz“ Wolf (1908-1984) trieb während des zweiten Weltkriegs als Staatsanwalt in Danzig sein Unwesen: Zahlreiche Polen, die er wegen Nichtigkeiten anklagte, wurden auf sein Betreiben hin zum Tode verurteilt. Obwohl Heinz Wolf nie seiner nationalsozialistischen Grundhaltung abgeschworen hatte, machte er Karriere in der jungen Bundesrepublik, wie viele seiner Gesinnungsgenossen. Denn in der Nachkriegszeit wurde er aufgrund falscher Zeugenaussagen „entnazifiziert“ und seine Akten lagen bis zur Wende in Ostberlin unter Verschluss. Geachtet und geehrt, war er unter anderem als Landrat des Landkreises Limburg, als CDU-Abgeordneter im Landtag in Wiesbaden und als Frankfurter Oberstaatsanwalt tätig. In seiner Frankfurter Zeit hat er als Gegenspieler des hessischen Generalstaatsanwalts Dr. Fritz Bauer vergeblich versucht, den Auschwitz-Prozess zu verhindern.
Bedingt nicht zuletzt durch die Recherchen zu diesem Bühnenstück ist dem Träger des Bundesverdienstkreuzes von der Stadt Limburg 2013 die Ehrenbürgerschaft entzogen worden. Schon ein Jahr zuvor bekam eine nach ihm benannte Sporthalle einen anderen Namen.
Auf der Bühne der Waggonhalle wird Wolfs Berufsleben in Jahres-Epochen lebendig. Dabei orientiert sich das Bühnenstück von Dieter Schenk, der auch die Regie führt, an historischen Fakten. In Kritiken für seine mitreißende Art gewürdigt liest und spielt Hans Josef Schöneberger die Rolle des Heinz Wolf. Zusammen mit dem Marburger stehen Thomas Bös vom buchcafé Bad Hersfeld als Journalist und der junge Kasseler Pianist Michael Müller-Peer auf der Bühne.
Fotos: Jörg Benedikt
Weitere Informationen zu WOLFSJAHRE unter
https://www.mr7.online/wolfsjahre/
Zu einer weiteren Darbietung am Mittwoch, den 4.12. um 11 Uhr, sind bei freiem Eintritt ausschließlich Schulklassen und ihre Lehrkräfte eingeladen.
Die beiden Veranstaltungen stehen am Anfang einer Reihe von insgesamt sechs Bühnenprojekten und einer Ausstellung, die das Netzwerk „Feindsender 2.0“ in Zusammenarbeit mit der Universitätsstadt Marburg und anderen Sponsoren wie dem DGB Mittelhessen bis weit ins kommende Jahr hinein anbietet. Anlass ist das Kriegsende am 8. Mai 1945, das sich 2025 zum 80. Mal jährt.
Die Initiatoren wollen damit auf die Gefahren aufmerksam machen, die der zunehmende Rechtsruck in der Gesellschaft mit sich bringt. Zielgruppe sind ganz besonders junge Menschen, für die die brutalen, menschenverachtenden Verbrechen des Nationalsozialismus „so weit weg sind wie das Römische Reich“ (Zitat eines Jugendlichen). Die Botschaft: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, kein Selbstläufer, sondern ein hohes Gut, für das immer wieder gekämpft werden muss.
In der Folgewoche steht eine weitere szenische Lesung von Dieter Schenk im Rahmen der Projektreihe auf dem Programm: über den ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer und seine Leiden bei der Aufarbeitung von Nazi-Verbrechen.